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Pressestimmen
15.09.2005 / AlternativeKommunalPolitik: Stadtsoziologie "Meine Empfehlung: Den Titel notieren und umgehend beim nächsten Gang zum Buchhändler kaufen."
Kurzbeschreibung
Das Lehrbuch zur Stadtsoziologie Von der modernen Großstadt bis zur beschaulichen Provinzstadt, von den Lebensstilen in der Innenstadt bis zu den Villenvierteln behandelt die Stadtsoziologie ein breites Themengebiet. Das Lehrbuch bietet einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Bereiche der stadtsoziologischen Forschung und deren theoretische Ansätze. In einem wissenschaftsgeschichtlichen Abriss wird die Entwicklung des soziologischen Denkens über die Stadt dargestellt, beginnend mit Marx / Engels über Weber bis zu den aktuellen Debatten über moderne Urbanität. Die feministische Perspektive auf die Stadt und die Tradition der Gemeindestudien werden in eigenen Kapiteln behandelt. Ausführlich werden überdies die Ursachen und Folgen sozialer Segregation und "ethnischer Koloniebildung" in den Städten thematisiert. Das Buch wendet sich nicht nur an Studierende, es ist auch geeignet für Leser, die nicht mit der Fachsprache vertraut sind und ein allgemeines Interesse an sozialen Fragen bzw. an der Stadt haben.
Über den Autor
Hartmut Häußermann ist Professor am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Walter Siebel ist Professor für Soziologie an der Universität Oldenburg.
Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
Eine Einführung in die Stadtsoziologie hat viel zu erzählen. Gibt es einen vielfältigeren Gegenstand als die Stadt? Wohl kaum! Städte haben eine lange Geschichte hinter sich, wandeln sich ständig und bergen eine unüberschaubare Fülle an Anregungen für jeden Sozialforscher. Darüber hinaus werden die Städte von ihren Bewohnern ganz unterschiedlich wahrgenommen. Würden wir Sie, als Leserin oder Leser, befragen, was für Sie die Stadt ausmacht, dann bekämen wir vermutlich viele, aber wenig übereinstimmende Antworten. Und genauso umfangreich wie die individuellen Wahrnehmungen der Stadt ist das Spektrum der Positionen, das die Soziologie zur Entdeckung der Stadt beitragen kann. Wir möchten mit dieser Einführung die grundlegenden Perspektiven und Themen vorstellen, auf die sich die Stadtsoziologie gründet und die sie bis heute umtreiben. Welche Fragen richten Soziologen an das städtische Leben und an die Entwicklung der Städte? Welche wichtigen Ergebnisse haben sie vorzuweisen, und welche wissenschaftlichen Konzepte haben sie zur strukturellen Beschreibung der Städte vorgeschlagen? Die Frage nach dem Neuen, das mit der modernen Großstadt in die Welt kam, stand am Ausgangspunkt der Stadtsoziologie. Wie ist dieses Neue zu erklären, was bedeutet es für die Menschen und den Staat? Die Erfahrungen der Verstädterung und Urbanisierung prägten zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben den Sozialwissenschaften auch die Literatur und die bildenden Künste. Die Großstädte fungierten als Laboratorien der Moderne, dort konzentrierten sich die ökonomischen, sozialen und kulturellen Veränderungen der entstehenden Moderne. Die Geschichte der Stadtsoziologie ist die Geschichte ihres Gegenstandes Die Entwicklung der Soziologie als akademischer Disziplin ist eng mit der Geschichte ihres Gegenstands verbunden. Die soziale Wirklichkeit war mit den theoretischen Gebäuden der Ökonomie und der Philosophie allein nicht mehr erklärbar. In den Erklärungslücken entstand die Soziologie als eine Wissenschaft, die den gesellschaftlichen Wandel zu ihrem Gegenstand machte. Sie ist ein Kind der Aufklärung und der kapitalistisch organisierten Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Welche Kräfte waren es, die die Jahrhunderte dauernde Ordnung, die als naturgegeben oder gottgewollt gegolten hatte, plötzlich zusammenbrechen ließen? Was trieb diese Umwälzungen voran und wie konnte der soziale Zusammenhalt trotzdem bewahrt werden? Diese Fragen bewegten die ersten Soziologen, und auch die Stadtsoziologie ist ein Produkt dieser Neugierde. Die Herausbildung der modernen Großstadt war mit tief greifenden Veränderungen der Lebensbedingungen und der Lebensart verbunden. Während des Lebens von nur einer Generation verwandelte die Industrialisierung die provinzielle Residenzstadt und Garnison Berlin in die größte Mietskasernenstadt der Welt oder schuf aus einer trostlosen Sumpflandschaft, wo in keiner Ansiedlung mehr als 500 Einwohner gelebt hatten, die größte Maschinerie zur Produktion von Kohle und Stahl in ganz Europa - die Stadtlandschaft des Ruhrgebiets. Diese Art von Stadtentwicklung hatte mit der bis dato bekannten Stadtgeschichte herzlich wenig zu tun. Sie folgte weder der rationalistischen Ästhetik barocker Stadtanlagen noch der grazilen Logik allmählichen Wachstums durch die emsige Tätigkeit von Kaufleuten und Handwerkern auf einer Vielzahl kleiner Parzellen. Auch das städtische Bürgertum - von Max Weber noch ins Zentrum der Europäischen Stadt gerückt - war an dieser Entwicklung wenig beteiligt. Eine neue Gesellschaft brach sich Bahn, die sich neue Städte schuf, alte aufbrach und explosionsartig anschwellen ließ. Sie zog in diesen Agglomerationen derartige Menschenmassen zusammen, dass den verschüchterten Aristokraten und alteingesessenen Stadtbürgern nichts anderes übrig blieb, als diese als bedrohlich fremde Rasse wahrzunehmen. Der Sog der Industrialisierung zog Massenwanderungen in die Großstädte nach sich; dort entstand eine neue soziale Schicht: die Arbeiterklasse, das Proletariat. Intellektuelle Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die konservative Stadtkritik machte die industrielle Großstadt verantwortlich für das Elend, das sich in den Familien der Fabrikarbeiter vor allen Augen breit machte. Diese Stadtkritik war reaktionär, sie forderte nichts weniger als die Abschaffung der großen Städte und die Rückkehr der Menschen in die Kleinstädte und Dörfer. Sie nährte die Illusion, mit der Rückkehr zum - idealisierten - Landleben verschwänden auch die Übel der industriellen Großstadt auf Nimmerwiedersehen. Wenn die konservative Stadtkritik auch hellsichtig die Verluste an Gemeinschaft beschrieb, die mit dem sozialen Wandel verbunden waren, und drastisch das Elend ausmalte, das auf die Menschen zukam, so blieb sie doch blind für deren Ursachen: Die Industrialisierung ging mit einem fundamentalen Umsturz der etablierten Herrschaftsverhältnisse einher. Eine ganz andere Reaktion auf den Wandel war die progressive Gesellschaftstheorie, an deren Anfang die Schrift von Friedrich Engels Die Lage der arbeitenden Klasse in England (Engels 1974 (1845)) steht. Für Engels war die Großstadt nur Bühne und Katalysator sozialer Krisen, die unausweichlich mit der kapitalistischen Gesellschaftsform verknüpft seien. Eine Rückkehr zu früheren Zuständen sah er als weder wünschenswert noch möglich an. Für ihn gab es nur den Weg nach vorne, hin zu einer weiteren Steigerung der gesellschaftlichen Dynamik bis zu jener letzten Krise, aus der lediglich eine Revolution herausführen würde. Stadtsoziologie und Stadtpolitik Neben der konservativen Stadtkritik einerseits, die den Untergang gewohnter Lebensverhältnisse beklagte und sich um die Stabilität der Gesellschaft sorgte, und der progressiven Gesellschaftskritik andererseits, die in der modernen, industriellen Großstadt die Bühne und den Durchlauferhitzer eines notwendigen sozialen Wandels erkannte, stand noch bei der Entstehung der Stadtsoziologie ein drittes Interesse Pate: der Informationsbedarf der Verwaltungen, die damit begannen, das städtische Chaos zu ordnen und die Lebensverhältnisse zu verbessern. Die empirische sozialwissenschaftliche Großstadtforschung begann, das lässt sich mit gutem Recht behaupten, als Gesundheitsforschung. Da Seuchen, hohe Sterblichkeit und zahlreiche körperliche Entwicklungsschäden mit dem Wachstum der frühkapitalistischen Städte verbunden waren, wurde die stadtkritische Bewegung hauptsächlich von Medizinern angeführt. Engels' Bericht über die Lage der städtischen Arbeiterschaft stützte sich weitgehend auf Berichte von Ärzten und Leichenbeschauern, und auch das Elend in den Mietskasernen von Berlin wurde zuerst von Gesundheitsinspektoren und Krankenkassen-Berichten öffentlich gemacht. Bereits im 18. Jahrhundert hatte man die Sterblichkeitsraten und Todesursachen zwischen Land- und Stadtbewohnern verglichen, um Hinweise zur Seuchenbekämpfung zu gewinnen. Die Sterblichkeitsrate lag in den Städten weitaus höher als auf dem Land. Wer waren die neuen Stadtbewohner, die die behäbigen Residenz- und Bürgerstädtchen zu anonymen Großstädten umwandelten, und deren Bedarf an Wohnraum, an medizinischer und technischer Versorgung so schwer zu decken war? Dies interessierte die Kommunen. Sie wollten wissen, wer zuwanderte, wer blieb, wer wieder fortzog und wo in der Stadt sich die größten Probleme finden ließen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine differenzierte Bevölkerungsstatistik entwickelt, die - gestützt auf eigene städtische Ämter - den Kommunen half, ihr Steueraufkommen, den Bedarf an Bauland und die Anforderungen an kommunale Infrastruktureinrichtungen abzuschätzen. Angesichts der außerordentlich hohen Mobilität, die zu massiven Bevölkerungsverschiebungen und einem explosionsartigen Wachstum der Städte führte, wurden seit 1870 auch Wanderungen innerhalb der Städte und über die Stadtgrenzen hinweg erfasst. Man erhob Alter und Beruf, später auch Daten zu ökonomischen, soziologischen und psychologischen...
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